Mithilfe der Coaching-Karten „Der Tod, ich und das Leben“ von Melike Bilbey, die zur Trauerbewältigung und (für mich ganz wichtig) auch für die Einzelarbeit genutzt werden können, möchte ich erste Schritte gehen, um vergangene Erlebnisse nebst dazugehöriger Verhaltensweisen und Reaktionen zu reflektieren und tiefsitzende Traumata zu verstehen und allmählich aufzulösen.
Unterteilt sind die Karten in die vier Kategorien Wahrnehmen, Erinnern, Stärken und Schöpfen. Auf jeder Karte steht eine Frage, die es zu beantworten gilt. Im sechsten Monat des Jahres habe ich mich mit folgenden Fragen beschäftigt:
Wahrnehmen
Was macht dir Angst?
Diese Frage ist für mich sehr wichtig und relevant, denn es gibt einige Dinge, vor denen ich (große) Angst habe.
Ich habe beispielsweise Angst davor, von jetzt auf gleich wegen einer unentdeckten Krankheit oder vor Erschöpfung tot umzufallen. Einhergeht diese Angst mit der Sorge, dass mein plötzliches Ableben eintritt, bevor L volljährig ist und für sich alleine sorgen kann. Die Vorstellung, ich könnte auf der Autobahn, die ich mehrmals wöchentlich aus beruflichen Gründen passiere, in einen Unfall verwickelt und tödlich verletzt werden, ist präsent.
Zudem habe ich Angst davor, dass meine L stirbt. Ich weiß nicht, ob ich ihren Verlust je überwinden könnte.
Die aktuelle Weltlage bereitet mir ebenfalls große Sorgen. Es brodelt an jeder Ecke. Ich wäre nicht überrascht, wenn der nächste Krieg, in den auch Deutschland verwickelt wäre, bereits unmittelbar bevorsteht. Auch wenn ich mich nach wie vor als (Über-)Lebenskünstlerin betrachte, habe ich Angst davor, wie unser Leben aussehen würde, bräche in Kürze ein Krieg aus.
Erinnern
Was, glaubst du, hat der geliebte Mensch an dir bewundert?
Ich habe ein eher ruhiges Naturell und kann selbst in Extremsituationen, von denen es während unserer gemeinsamen achteinhalb Jahre so einige gab, die Ruhe bewahren und aufsteigende Panik mit mir selbst ausmachen, ohne dass Außenstehende davon Wind bekommen.
M und ich haben uns beispielsweise zweimal in den Bergen im europäischen Ausland verlaufen. Einmal benötigten wir sogar die Hilfe der Bergrettung. Im Nachgang fand ich heraus, dass wir uns in Lebensgefahr befanden, als sich bedrohlich muhende Kühe schnell näherten. Diese waren vor allen Dingen über Prinzis Anwesenheit überhaupt nicht erfreut und durchaus bereit, die Herde zu schützen. (Im Übrigen sterben jährlich etwa ein halbes Dutzend Wandernde durch Kuhangriffe.)
Diese äußerliche Ruhe könnte also durchaus eine Eigenschaft sein, die M an mir bewundert hat. Schließlich habe ich meine Energie lieber darauf verwendet, bestmögliche Lösungen zu finden, um aus der unangenehmen Situation wieder (lebend) herauszukommen.
Es ist gut möglich, dass M auch meine schnelle Begeisterungsfähigkeit mochte. Diese befindet sich allerdings nach wie vor auf der Schwelle zu Naivität. Ich mochte es immer sehr, mit M gemeinsam Pläne zu schmieden und ihn bei der Verwirklichung zu unterstützen.
Stärken
Was kannst du richtig gut?
Mein erster Impuls: Nichts. Das ist sicherlich Unsinn und viel zu streng betrachtet. Dennoch habe ich das Gefühl, in vielen Bereichen ein Bisschen was zu können. Und das vermutlich auch gut. Das reicht derzeit völlig aus, um im Leben voranzukommen.
Schöpfen
Was würdest du tun, wenn heute dein letzter Tag wäre?
Ich würde allen mir am Herzen liegenden Menschen etwas Nettes sagen und mich von ihnen verabschieden. Mit L würde ich einen langen Ausflug an einen Ort machen, den wir beide unbedingt noch einmal gemeinsam besuchen möchten.
Trauerarbeit
Mein Weg durch die Trauer
TrauerarbeitMithilfe der Coaching-Karten „Der Tod, ich und das Leben“ von Melike Bilbey, die zur Trauerbewältigung und (für mich ganz wichtig) auch für die Einzelarbeit genutzt werden können, möchte ich erste Schritte gehen, um vergangene Erlebnisse nebst dazugehöriger Verhaltensweisen und Reaktionen zu reflektieren und tiefsitzende Traumata zu verstehen und allmählich aufzulösen.
Unterteilt sind die Karten in die vier Kategorien Wahrnehmen, Erinnern, Stärken und Schöpfen. Auf jeder Karte steht eine Frage, die es zu beantworten gilt. Im Mai habe ich mich mit folgenden Fragen beschäftigt:
Wahrnehmen
Was fühlst du jetzt gerade?
Von Monat zu Monat stelle ich fest, dass das Gefühl der Ungerechtigkeit in mir immer weiter wächst. Es ist einfach nicht fair, das arbeitende Volk auszunehmen, während die oberen Zehntausend sich vor den von der Mittelschicht erwirtschafteten Gewinnen kaum retten und ihren Reichtum vermehren können. Es wird Zeit für einen finanziellen Ausgleich, Steuersenkungen und generell mehr Gerechtigkeit.
Seit kurzem wird ein weiteres Gefühl in mir immer stärker: Entschleunigung. Ich spüre jeden Tag ein bisschen mehr, dass ich urlaubsreif bin. Zum Glück dauert es nicht mehr allzu viele Wochen bis zu meinem Sommerurlaub.
Erinnern
Bei welcher Erinnerung musst du schmunzeln?
M hatte ein großes Faible für Oldtimer, allen voran amerikanische. Als Fan der Serie „Knight Rider“ erfüllte er sich im Laufe seines (kurzen) Lebens den Traum, erst einen roten, später einen schwarzen Pontiac Firebird und zwischendrin sogar einen weißen Pontiac Trans Am zu besitzen. Mit dem roten Firebird holte er mich am Anfang unserer Beziehung ab und an von der Arbeit ab. Als er einmal mit dem Auto an einer roten Ampel nicht richtig aufpasste, heulte der Motor ungewollt laut auf. Ein älterer Fußgänger, der an der mittlerweile grünen Fußgängerampel stand, brüllte ihn daraufhin lautstark an und fragte, ob er Potenzprobleme hätte. Noch Jahre später lachten wir über diese peinliche Situation.
Als es in Erfurt noch keine Decathlon-Filiale gab, sind wir extra ins Paunsdorf Center nach Leipzig gefahren. Dort ließen wird innerhalb weniger Stunden mehrere Hundert Euro – damals traf es noch keinen Arm – und deckten uns von Kopf bis Fuß mit neuer Kleidung und sonstigem Schnickschnack ein. Kleinkind-L war damals auch mit dabei. Wir wirkten auf Außenstehende sicherlich so, als hätten wir kein einziges Kleidungsstück im Schrank.
Stärken
Wer tut dir gut?
Allen voran tut es mir gut, meine kleine L um mich zu haben. Denn durch sie habe ich eine Aufgabe, bin beschäftigt und abgelenkt und werde gebraucht. Dasselbe gilt für unsere drei superniedlichen Kaninchenmädels Elli, Waltraud und Gerda.
Auch meine Familie tut mir gut. Meine Eltern und mein Bruder hören mir zu und stehen mir sehr oft mit Rat und Tat zur Seite. Auch wenn es mir immer noch unangenehm ist, ihre Hilfe anzunehmen, lerne ich allmählich, diese zu akzeptieren und nichts Schlimmes daran zu finden.
Meine engen Freund*innen möchte ich ebenso wenig missen wie meine Familie.
Alles in allem umgebe ich mich immer seltener mit Menschen, die mir nicht guttun. In diesem Punkt bin ich bereits sehr weit gekommen.
Schöpfen
Wem möchtest du mehr Zeit widmen?
Für mich gibt es einen großen Unterschied zwischen Zeit haben und Zeit nehmen. Wenn mir etwas wirklich wichtig ist, dann nehme ich mir dafür die Zeit. Punkt.
Bereits im letzten Jahr habe ich vermehrt damit begonnen, mir Zeit für die wichtigen Menschen in meinem Leben zu nehmen.
Ich verbringe gern Zeit mit L und meiner Familie.
Vorrangig L zuliebe gebe ich mir die größte Mühe, den Kontakt zu meiner Schwiegerfamilie zu halten und diese so oft es geht zu besuchen. Ich bin dankbar, dass wir einmal jährlich gemeinsam ein paar Tage wegfahren, und hoffe, dass wir das auch in den kommenden Jahren so beibehalten werden.
Die größte Herausforderung stellen Treffen mit meinen Freund*innen dar. Jede Person führt ihr eigenes Leben in anderen Städten und ist im Alltag stark eingebunden. Dennoch schaffe ich es, regelmäßig mit Dresden-J zu telefonieren. Seit letztem Jahr gelingt es Grundschul-J, Grundschul-B und mir, uns öfter als einmal im Jahr zu sehen. Mir ist es sehr wichtig, den Kontakt aufrechtzuerhalten.
Mein Weg durch die Trauer
TrauerarbeitMithilfe der Coaching-Karten „Der Tod, ich und das Leben“ von Melike Bilbey, die zur Trauerbewältigung und (für mich ganz wichtig) auch für die Einzelarbeit genutzt werden können, möchte ich erste Schritte gehen, um vergangene Erlebnisse nebst dazugehöriger Verhaltensweisen und Reaktionen zu reflektieren und tiefsitzende Traumata zu verstehen und allmählich aufzulösen.
Unterteilt sind die Karten in die vier Kategorien Wahrnehmen, Erinnern, Stärken und Schöpfen. Auf jeder Karte steht eine Frage, die es zu beantworten gilt. Im April habe ich mich mit folgenden Fragen beschäftigt:
Wahrnehmen
Wen brauchst du jetzt?
Ich brauche einen oder mehrere Menschen um mich herum, die zuversichtlich und optimistisch in die Zukunft blicken und mir überzeugend sagen können, dass sich im Laufe der nächsten Jahre die Gesellschaft in eine gute Richtung entwickeln wird.
Schon seit einigen Wochen meide ich Facebook und LinkedIn. Dadurch bin ich selbst wieder optimistischer gestimmt, da ich den Hass und die Missgunst, aber auch das vermeintlich schillernde Leben der Anderen nicht mehr mitbekomme.
Ich brauche dringend eine gute Regierung, der auch das Wohl der Familie außerhalb einer bestehenden Ehe am Herzen liegt.
Erinnern
Weswegen bist du wütend auf den geliebten Menschen?
Diese Frage mag ich überhaupt nicht, verstehe jedoch den Sinn dahinter, die Wut auf den geliebten Menschen herauszulassen und nicht im eigenen Körper gefangen zu halten. Dennoch ist es schöner, sich an die aufregenden Erlebnisse und leichten Momente zu erinnern.
Ich bin auf M wegen des Verlaufs meiner Elternzeit wütend. In den insgesamt zwei Jahren habe ich sämtliche meiner geringen Ersparnisse komplett aufgebraucht, denn meine Ausgaben, die ich auch für meine kleine Familie tätigte, waren nach wie vor dieselben. Das Elterngeld wurde auf fünfzehn Monate gestreckt. Um jeden weiteren Euro musste ich M anbetteln, der sich allerdings lieber einen dritten Oldtimer für mehrere Tausend Euro holte. Diese Abhängigkeit von einer Person ist absolut kein schönes Gefühl. Das möchte ich so auch nie wieder erleben müssen.
Ich bin auf M wütend, da ich nach seinem Tod feststellen musste, dass einige Tausend Euro in Ls ehemaligem Fonddepot fehlen. Diesen Fond hatten wir kurz nach Ls Geburt für sie ins Leben gerufen und monatlich das gesamte Kindergeld eingezahlt. Geld, das mir während der Elternzeit für Lebensmitteleinkäufe fehlte. Dennoch ist es mir nach wie vor wichtig, dass L mit Erreichen ihrer Volljährigkeit finanziell gut dasteht. Mein Bruder half mir vor fünf Jahren, das alte Depot zu schließen und für sie einen neuen einzurichten.
Ich bin auf M wütend, da er sich gern vor Verantwortungen drückte. Für ihn war es offenbar selbstverständlich, dass ich an den Abenden oder am Wochenende mit unserem Hund Prinzi, der trotz aller Bemühungen und Trainingsmethoden nicht alleine zu Hause bleiben konnte, und später mit L in der Wohnung verharre, während er sich mit Freund*innen oder Kolleg*innen traf. Wütend werde ich nach wie vor, wenn ich an all die Abende denke, an denen er ange- oder sogar betrunken nach Hause zurückkam, denn so konnte ich auch am Folgetag nicht mit seiner Unterstützung rechnen.
Ich bin auf M wütend für die Unordnung, die er täglich (!) innerhalb von wenigen (!) Minuten in unserer gemeinsamen Wohnung verursachte. Ich brauchte jedesmal eine Stunde, um die Grundordnung wieder herzustellen. Aus heutiger Sicht würde ich die Care-Arbeit ganz anders zwischen uns beiden aufteilen. Und so einiges andere auch.
Stärken
Welche Art von Bewegung tut dir gut?
Das ist von meiner jeweiligen Tagesform abhängig. Ich liebe Spaziergänge. Gelegentlich gehe ich auch gern Laufen, um meinen Kopf freizubekommen. Beim Fahrradfahren liebe ich das Gefühl von Freiheit. Mich packt währenddessen jedes Mal eine große Reiselust. Tanzen mag ich auch sehr gerne.
Schöpfen
Worauf willst du nicht mehr verzichten?
Ich will nicht mehr auf meine L verzichten.
Auch das Zusammenleben mit Tieren war und ist mir sehr wichtig. Ich werde sicherlich im Laufe meines weiteren Lebens immer Tiere um mich herum haben.
Verzichten will ich zudem nicht mehr auf Menschen in meinem Umfeld, dir zu mir passen, mich verstehen und mich so akzeptieren wie ich bin. Ich will mir selbst treu bleiben und habe beschlossen, mich niemals wieder für irgendjemanden derart zu verbiegen, dass von mir selbst nicht mehr viel übrig bleibt. Auch wenn Kompromisse zum Leben dazugehören, will ich diese nicht mehr permanent zu meinem Nachteil eingehen.
Auf gutes Essen will ich nicht mehr verzichten.
Mein Weg durch die Trauer
TrauerarbeitMithilfe der Coaching-Karten „Der Tod, ich und das Leben“ von Melike Bilbey, die zur Trauerbewältigung und (für mich ganz wichtig) auch für die Einzelarbeit genutzt werden können, möchte ich erste Schritte gehen, um vergangene Erlebnisse nebst dazugehöriger Verhaltensweisen und Reaktionen zu reflektieren und tiefsitzende Traumata zu verstehen und allmählich aufzulösen.
Unterteilt sind die Karten in die vier Kategorien Wahrnehmen, Erinnern, Stärken und Schöpfen. Auf jeder Karte steht eine Frage, die es zu beantworten gilt. Im März habe ich mich mit folgenden Fragen beschäftigt:
Wahrnehmen
Was verlangt dieser Moment von dir?
Ich hatte eine ganze Weile lang an den Wörtern „dieser Moment“ zu knabbern, denn ich kann hier so einiges hineininterpretieren. Ich habe mich nach einigem Hin und Her dafür entschieden, dass ich mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren möchte.
Dieser Moment verlangt eindeutig ganz viel Stärke von mir. Hätte ich diese nicht, würde unser Alltag mit all den Routinen und Abläufen nicht funktionieren. Ich würde von mir selbst behaupten, sehr stark zu sein. Den Kopf in den Sand zu stecken, war noch nie eine Option für mich. Das Leben geht weiter, egal welche Herausforderungen auf uns zukommen. Auch wenn es nicht leicht ist, liegt die Entscheidung darüber, wie es weitergeht, an jeder und jedem selbst. Diesbezüglich haben wir eine Wahl. L hat mir einmal gesagt, dass sie mich noch nie hat weinen sehen. Diese Aussage überraschte mich sehr, da ich grundsätzlich sehr nah am Wasser gebaut bin. Doch sie hat recht damit. Wenn ich weine, ist sie meist nicht anwesend. Ich muss aber gestehen, dass ich gar keine Zeit und zum Glück auch kaum Gründe zum Weinen habe.
Viel schwieriger als Stärke zu zeigen, fällt mir im Moment das Aufbringen der nötigen Zuversicht. In letzter Zeit spiele ich sie eher vor, als dass ich sie wirklich fühle. Zum einen möchte ich L keinesfalls belügen. Die Situation in der Welt ist derzeit eher bescheiden und aktuell ist eine deutliche Abwärtsbewegung erkennbar. Es sagt mittlerweile auch sehr viel über mich aus, dass ich Nachrichten aus aller Welt nur noch mittels Satire konsumieren kann. Gelegentlich teile ich Gehörtes oder Gelesenes mit L und gehe dabei hoffentlich so kindgerecht wie möglich vor. Zum anderen möchte ich versuchen, L und auch mir Wege aufzuzeigen, um uns in den nächsten Jahren bestmöglich an etwaige Veränderungen, zum Beispiel hinsichtlich der Thematiken Finanzen und Konsum, Umwelt oder Politik anzupassen. Ich bereite mich aktuell sehr intensiv darauf vor, im Alltag mit wenigen Dingen zurechtzukommen. Ich verkleinere sukzessive unseren Haushalt, behalte dabei nur Gegenstände, die mir sehr am Herzen liegen, und gebe mir die allergrößte Mühe, weitestgehend auf Konsum zu verzichten und Verlockungen zu widerstehen. Ich glaube keine Sekunde mehr daran, irgendwann auch nur einen Euro Rente zu beziehen. Ich werde somit sehr wahrscheinlich später einmal nur die jetzt mühsam beiseite gelegte private Altersvorsorge zum Leben nutzen können. L möchte ich ungern zur Last fallen.
In den letzten Monaten ist mir wieder deutlicher bewusst geworden, wie wichtig Liebe und Freundschaft sind. Liebe gibt es in zahlreichen Formen und ich empfinde diese beim Gedanken an einzelne Menschen auch sehr unterschiedlich. Für ein stabiles soziales Umfeld möchte ich wieder sukzessive mehr Energie aufwenden und mich intensiver einbringen.
Erinnern
Was hast du mit dem geliebten Menschen geteilt?
M und ich waren von Anfang an auf einer Wellenlänge. Innerhalb weniger Monate nach unserem Kennenlernen teilten wir uns bis zu seinem Tod nicht nur den Alltag und eine Wohnung, sondern kannten auch die Gedanken und Gefühle des anderen. Wir unterstützten uns gegenseitig in schönen und weniger schönen Momenten.
Im Laufe der Zeit teilten wir die Liebe zu unserem Hund Prinzi und unserer Tochter L.
M und ich teilten dieselbe Begeisterung für Ausflüge und Reisen jedweder Art. Die dahinterstehenden, oft auch spontanen Planungen habe ich immer sehr gemocht.
Stärken
Wo fühlst du dich wohl?
Mein absoluter Lieblingsort ist und war auch schon immer das Bett. Somit fühle ich mich zu Hause am wohlsten. Ergänzend möchte ich hier anfügen, dass dies vor allem der Fall ist, wenn alle anwesend sind. Sobald L oder die drei Kaninchen fehlen, fühle ich mich unvollständig und werde unruhig.
Ich fühle mich auch im Zuhause von anderen, mir nahestehenden Menschen wohl.
Seit etwa dreizehn Jahren weiß ich, dass ich unmöglich mitten in einer großen Stadt wohnen will. Ich mag es somit sehr, eher dörflich zu leben und dennoch innerhalb einer angemessenen Fahrtzeit mitten im trubeligen Stadtleben zu sein.
Schöpfen
Wissen alle, die dir wichtig sind, dass du sie liebst?
Diese Frage ist für mich schwer zu beantworten.
Ich bin mir sicher, dass L und auch Elli, Waltraud und Gerda wissen oder spüren, dass ich sie lieb habe.
Ich hoffe, dass meine Familie weiß, dass ich sie lieb habe, bin an dieser Stelle aber bereits unsicher. Baby O weiß es definitiv noch nicht, denn sie lerne ich erst in einem Monat kennen.
Ob meine Handvoll Freund*innen wissen, dass ich sie lieb habe, weiß ich ebenfalls nicht. Aber diese Unsicherheit lässt sich glücklicherweise durch mein eigenes Verhalten ändern.
Mein Weg durch die Trauer
TrauerarbeitMithilfe der Coaching-Karten „Der Tod, ich und das Leben“ von Melike Bilbey, die zur Trauerbewältigung und (für mich ganz wichtig) auch für die Einzelarbeit genutzt werden können, möchte ich in diesem Jahr einen ersten Schritt gehen, um vergangene Erlebnisse nebst dazugehöriger Verhaltensweisen und Reaktionen zu reflektieren und tiefsitzende Traumata zu verstehen und allmählich aufzulösen.
Unterteilt sind die Karten in die vier Kategorien Wahrnehmen, Erinnern, Stärken und Schöpfen. Auf jeder Karte steht eine Frage, die es zu beantworten gilt. Im Februar habe ich mich mit folgenden Fragen beschäftigt:
Wahrnehmen
Was vermisst du?
Seit Ms Tod vermisse ich von Jahr zu Jahr mehr die einstige Leichtigkeit in meinem Leben. Es ist definitiv etwas Wahres dran an der Aussage „Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude“. In diesem Jahr möchte ich damit beginnen, mir die Leichtigkeit sukzessive zurückzuholen.
Erinnern
Was würde der geliebte Mensch jetzt zu dir sagen?
M würde sagen, dass er eine neue Idee für die Firma, einen coolen Oldtimer gefunden oder einen interessanten Podcast entdeckt hat, und fragen, ob wir darüber während eines langen Spaziergangs (mit Kind und Hund) sprechen wollen. Ich würde sofort zustimmen, da ich unsere gemeinsamen Spaziergänge immer sehr mochte.
Zum aktuellen Weltgeschehen hätte M sich zudem intensiv informiert, mit anderen ausgetauscht und mir seine Erkenntnisse und Eindrücke weitergegeben.
Stärken
Was kannst du tun, um dich besser zu fühlen?
Salopp gesagt: Weitermachen. Aufgeben und den Kopf hängen lassen ist und war seit Ms Tod nie eine Option. Vor viereinhalb Jahren waren Prinzi und L von mir abhängig, heute sind es Elli, Waltraud und L. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass es mir, L und allen Menschen und Tieren in unserem Umfeld gut geht. Ich weiß, dass ich gebraucht werde. Dieses Gefühl gibt mir Kraft und hält mich aufrecht.
Um selbst stabil und gesund zu bleiben, versüße ich mir den Alltag mit kleinen Dingen. Das kann ein gutes Buch, eine spannende Serie, etwas Leckeres zu essen oder ein schöner Ausflug mit Freund*innen sein.
Für ein besseres Lebensgefühl hat mir die Entscheidung geholfen, mich weitestgehend von täglichen Nachrichten oder Social Media fernzuhalten. Beides bietet mir keinen Mehrwert. In den Nachrichten wird sich ausnahmslos auf alles Furchtbare in der Welt konzentriert, auf Social Media wird jede Person wegen einer Meinungsäußerung mit Hasskommentaren überschüttet.
Schöpfen
Für was bist du heute dankbar?
Ich bin dankbar, die Möglichkeit gehabt zu haben, M näher kennenzulernen. Wir hatten sieben sehr schöne und anderthalb sehr herausfordernde gemeinsame Jahre. Ohne M wäre ich heute definitiv eine andere Person.
Für unsere kleine L bin ich M ebenfalls sehr dankbar. L ist der Grund, weshalb ich nach Ms Tod weitergemacht habe. Ich hätte es mir nie verziehen, sie im Stich zu lassen und mich komplett in meiner Trauer zu verlieren.
Für meinen aktuellen Arbeitsplatz bin ich dankbar. Es ist nicht immer leicht, es gibt Höhen und Tiefen und dennoch macht es die meiste Zeit des Jahres großen Spaß, mit dem Team zusammenzuarbeiten und Neues zu erschaffen.
Ich bin dankbar, vor einigen Jahren den Mut gefunden zu haben, mich ins Auto zu setzen und überall hinzufahren. Ohne Ms Hilfe und guten Zuspruch würde ich mich bis heute nicht trauen, lange Strecken mit dem Auto zurückzulegen.
Mein Weg durch die Trauer
TrauerarbeitMein Nikolausgeschenk an mich waren im Dezember letzten Jahres die Coaching-Karten „Der Tod, ich und das Leben“ von Melike Bilbey, die zur Trauerbewältigung und (für mich ganz wichtig) auch für die Einzelarbeit genutzt werden können. Mithilfe dieser Karten möchte ich nun einen ersten Schritt gehen, um vergangene Erlebnisse nebst dazugehöriger Verhaltensweisen und Reaktionen zu reflektieren und tiefsitzende Traumata zu verstehen und allmählich aufzulösen.
Unterteilt sind die Karten in die vier Kategorien Wahrnehmen, Erinnern, Stärken und Schöpfen. Auf jeder Karte steht eine Frage, die es zu beantworten gilt. Im Januar habe ich mich mit folgenden Fragen beschäftigt:
Wahrnehmen
Was würde dir jetzt gut tun?
Eine einfache Frage und dennoch schwierig zu beantworten.
Betrachte ich den Augenblick, würde mir in den Wintermonaten ein wärmeres Klima gut tun. Dann hätten es Viren und Bakterien schwerer, über mich herzufallen. Schon länger spiele ich mit dem Gedanken, den Winter irgendwann in wärmeren Regionen zu verbringen. Aktuell ist das aus verschiedenen Gründen noch nicht möglich.
Mir würde es ebenfalls für mein Seelenheil gut tun, wären die Zukunftsaussichten für den Fortbestand der Menschheit positiver. Die Geschehnisse in der Welt machen mir große Angst. Da hilft es auch nur bedingt, auf den Konsum von Nachrichten zu verzichten und Social Media zu meiden. Es fühlt sich immer häufiger so an, als könnte ich nur hilflos dabei zusehen, wie der Abgrund und damit das Ende der Welt näher kommt. Umso wichtiger ist es für mich geworden, in meiner Bubble zu bleiben und dort mein Bestes zu geben. Ich bin jeden Tag aufs Neue bemüht, in meinem Umfeld niemanden durch mein Handeln zu schaden und mich mit Menschen zu umgeben, die mir gut tun. Ich möchte L und allen Kindern ein gutes Vorbild sein und mein Leben im Kleinen verbessern.
Erinnern
Welche Themen haben den geliebten Menschen beschäftigt?
Ms Gedanken kreisten beinahe unaufhörlich um seine Firma und die Arbeit. Direkt nach seinem Studienabschluss machte er sich selbstständig. Als wir uns kennenlernten, war er ein Einzelkämpfer. Doch im Laufe der Jahre kamen immer mehr Mitarbeiter hinzu. Schließlich auch ich. Wir hatten ein gemeinsames Ziel vor Augen, auf das wir hinarbeiteten, und große Träume. Wir waren ein gutes Team und zogen an einem Strang.
Im Gegensatz zu mir wollte M schon immer mehr vom Leben und war auch bereit, alles für die Verwirklichung seiner Träume zu geben. Er arbeitete oft bis spät in die Nacht hinein, kannte keine Feiertage oder Wochenenden. Selbst im Krankenhaus ließ er es sich vor, während und nach wichtigen Behandlungen und Therapien nicht nehmen, die wichtigsten Aufgaben zu erledigen und Pläne zu schmieden.
Der Verrat des vorherigen Mutterkonzerns hatte seinem fragilen Gesundheitszustand ordentlich zugesetzt. Bis acht Stunden vor seinem Tod kämpfte er noch Seite an Seite mit seinen Kolleg*innen für den Erhalt seiner Firma.
Diese Motivation war für mich schließlich ausschlaggebend, alles dafür zu tun, um seinen Lebenstraum nicht sterben zu lassen. Wir stehen heute in anderer Teamkonstellation vor ähnlichen und neuen Herausforderungen und haben nach wie vor einen weiten Weg vor uns. Die Firma gibt es allerdings noch.
Auch seine Freund*innen aus Schul- und Studienzeiten waren M immer sehr wichtig. Noch viele Jahre nach den jeweiligen Abschlüssen traf sich ein Großteil seines Freundeskreises mindestens einmal wöchentlich im Stammlokal in Erfurt. Für so viele treue und liebe Freund*innen und den Zusammenhalt untereinander habe ich ihn immer beneidet.
Stärken
Welche Aktivität in der Natur tut dir gut?
Am allermeisten mag ich Spaziergänge oder Wanderungen. Besonders gern unternehme ich diese zwischen Frühjahr und Herbst. Wenn die Gedanken in meinem Kopf unaufhörlich kreisen, hilft mir auch eine Laufrunde sehr. Danach fühle ich mich immer ganz wunderbar.
Im Winter bin ich sehr gern draußen, wenn es geschneit hat. Ich liebe das Geräusch von knirschendem Schnee unter meinen Füßen. Rodeln macht mir auch großen Spaß.
Im Sommer gehe ich gern mit L im See baden.
Schöpfen
Was hast du aus dieser Zeit wertvolles gelernt?
Ich habe für mich und mein zukünftiges Leben einiges aus den Jahren 2019 und 2020 mitgenommen.
Ich weiß nun, dass es gut und wichtig ist, Ziele vor Augen zu haben, sich in Themen hineinzuknien und an der Verwirklichung dieser mit großem Einsatz zu arbeiten. Dennoch ist Arbeit nicht alles im Leben. Freizeit und Erholungsphasen dürfen keinesfalls zu kurz kommen. Auch eine ungesunde Lebensweise schadet dem Körper dauerhaft.
Ich habe verinnerlicht, dass Vorsorgeuntersuchungen sehr wichtig sind und lebensrettend sein können. Wie eine Art Mantra hat sich bei mir eingebrannt, dass umgehend ein Arzt konsultiert werden sollte, wenn Schmerzen, offene Wunden im Mund-/Rachenraum oder auch ein Unwohlsein nach zwei Wochen nicht wieder von selbst verschwunden sind.
