Mithilfe der Coaching-Karten „Der Tod, ich und das Leben“ von Melike Bilbey, die zur Trauerbewältigung und (für mich ganz wichtig) auch für die Einzelarbeit genutzt werden können, möchte ich erste Schritte gehen, um vergangene Erlebnisse nebst dazugehöriger Verhaltensweisen und Reaktionen zu reflektieren und tiefsitzende Traumata zu verstehen und allmählich aufzulösen.
Unterteilt sind die Karten in die vier Kategorien Wahrnehmen, Erinnern, Stärken und Schöpfen. Auf jeder Karte steht eine Frage, die es zu beantworten gilt. Im März habe ich mich mit folgenden Fragen beschäftigt:
Wahrnehmen
Was verlangt dieser Moment von dir?
Ich hatte eine ganze Weile lang an den Wörtern „dieser Moment“ zu knabbern, denn ich kann hier so einiges hineininterpretieren. Ich habe mich nach einigem Hin und Her dafür entschieden, dass ich mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren möchte.
Dieser Moment verlangt eindeutig ganz viel Stärke von mir. Hätte ich diese nicht, würde unser Alltag mit all den Routinen und Abläufen nicht funktionieren. Ich würde von mir selbst behaupten, sehr stark zu sein. Den Kopf in den Sand zu stecken, war noch nie eine Option für mich. Das Leben geht weiter, egal welche Herausforderungen auf uns zukommen. Auch wenn es nicht leicht ist, liegt die Entscheidung darüber, wie es weitergeht, an jeder und jedem selbst. Diesbezüglich haben wir eine Wahl. L hat mir einmal gesagt, dass sie mich noch nie hat weinen sehen. Diese Aussage überraschte mich sehr, da ich grundsätzlich sehr nah am Wasser gebaut bin. Doch sie hat recht damit. Wenn ich weine, ist sie meist nicht anwesend. Ich muss aber gestehen, dass ich gar keine Zeit und zum Glück auch kaum Gründe zum Weinen habe.
Viel schwieriger als Stärke zu zeigen, fällt mir im Moment das Aufbringen der nötigen Zuversicht. In letzter Zeit spiele ich sie eher vor, als dass ich sie wirklich fühle. Zum einen möchte ich L keinesfalls belügen. Die Situation in der Welt ist derzeit eher bescheiden und aktuell ist eine deutliche Abwärtsbewegung erkennbar. Es sagt mittlerweile auch sehr viel über mich aus, dass ich Nachrichten aus aller Welt nur noch mittels Satire konsumieren kann. Gelegentlich teile ich Gehörtes oder Gelesenes mit L und gehe dabei hoffentlich so kindgerecht wie möglich vor. Zum anderen möchte ich versuchen, L und auch mir Wege aufzuzeigen, um uns in den nächsten Jahren bestmöglich an etwaige Veränderungen, zum Beispiel hinsichtlich der Thematiken Finanzen und Konsum, Umwelt oder Politik anzupassen. Ich bereite mich aktuell sehr intensiv darauf vor, im Alltag mit wenigen Dingen zurechtzukommen. Ich verkleinere sukzessive unseren Haushalt, behalte dabei nur Gegenstände, die mir sehr am Herzen liegen, und gebe mir die allergrößte Mühe, weitestgehend auf Konsum zu verzichten und Verlockungen zu widerstehen. Ich glaube keine Sekunde mehr daran, irgendwann auch nur einen Euro Rente zu beziehen. Ich werde somit sehr wahrscheinlich später einmal nur die jetzt mühsam beiseite gelegte private Altersvorsorge zum Leben nutzen können. L möchte ich ungern zur Last fallen.
In den letzten Monaten ist mir wieder deutlicher bewusst geworden, wie wichtig Liebe und Freundschaft sind. Liebe gibt es in zahlreichen Formen und ich empfinde diese beim Gedanken an einzelne Menschen auch sehr unterschiedlich. Für ein stabiles soziales Umfeld möchte ich wieder sukzessive mehr Energie aufwenden und mich intensiver einbringen.
Erinnern
Was hast du mit dem geliebten Menschen geteilt?
M und ich waren von Anfang an auf einer Wellenlänge. Innerhalb weniger Monate nach unserem Kennenlernen teilten wir uns bis zu seinem Tod nicht nur den Alltag und eine Wohnung, sondern kannten auch die Gedanken und Gefühle des anderen. Wir unterstützten uns gegenseitig in schönen und weniger schönen Momenten.
Im Laufe der Zeit teilten wir die Liebe zu unserem Hund Prinzi und unserer Tochter L.
M und ich teilten dieselbe Begeisterung für Ausflüge und Reisen jedweder Art. Die dahinterstehenden, oft auch spontanen Planungen habe ich immer sehr gemocht.
Stärken
Wo fühlst du dich wohl?
Mein absoluter Lieblingsort ist und war auch schon immer das Bett. Somit fühle ich mich zu Hause am wohlsten. Ergänzend möchte ich hier anfügen, dass dies vor allem der Fall ist, wenn alle anwesend sind. Sobald L oder die drei Kaninchen fehlen, fühle ich mich unvollständig und werde unruhig.
Ich fühle mich auch im Zuhause von anderen, mir nahestehenden Menschen wohl.
Seit etwa dreizehn Jahren weiß ich, dass ich unmöglich mitten in einer großen Stadt wohnen will. Ich mag es somit sehr, eher dörflich zu leben und dennoch innerhalb einer angemessenen Fahrtzeit mitten im trubeligen Stadtleben zu sein.
Schöpfen
Wissen alle, die dir wichtig sind, dass du sie liebst?
Diese Frage ist für mich schwer zu beantworten.
Ich bin mir sicher, dass L und auch Elli, Waltraud und Gerda wissen oder spüren, dass ich sie lieb habe.
Ich hoffe, dass meine Familie weiß, dass ich sie lieb habe, bin an dieser Stelle aber bereits unsicher. Baby O weiß es definitiv noch nicht, denn sie lerne ich erst in einem Monat kennen.
Ob meine Handvoll Freund*innen wissen, dass ich sie lieb habe, weiß ich ebenfalls nicht. Aber diese Unsicherheit lässt sich glücklicherweise durch mein eigenes Verhalten ändern.

Ein Gedanke zu “Mein Weg durch die Trauer ”