Himmelspost an M

Dies & Das, Persönliches

Mein lieber M,

L und ich sind zurück aus Italien. Wir hatten zwei wunderschöne, entspannte Wochen, bei jeder Mahlzeit einen herrlichen Blick auf den Gardasee und drei große Pools, die wir nach Belieben abwechselnd besuchen konnten und sogar oft ganz für uns alleine hatten.
An die engen italienischen Straßen habe ich mich schnell gewöhnt. Ich kann gut nachvollziehen, weshalb die Italiener*innen kleinere Fahrzeuge bevorzugen.
Sowohl auf unserer Hin- als auch auf der Rückreise kamen wir jeweils in ein Unwetter mitten auf der Autobahn mit Starkregen und sogar einem Gewitter über uns. Ich bin stolz auf mich, die Strecken ganz alleine unfallfrei gefahren zu sein.
Sollten L und ich im nächsten Jahr ein paar Tage im Sommer wegfahren, möchten wir in Deutschland bleiben. Vielleicht finden wir sogar eine kleine Unterkunft, zu der wir Elli und Waltraud mitnehmen können. Wir haben die beiden nämlich sehr vermisst. 

Von den Italiener*innen in unserer Apartmentsiedlung wurde ich indirekt angespornt, weiterhin beim Erlernen von Fremdsprachen (über die Duolingo App) am Ball zu bleiben. Viele sprachen entweder ein sehr gutes Deutsch oder Englisch. Mir hingegen fiel es sehr schwer, vernünftige Sätze in Englisch, geschweige denn in Italienisch hervorzubringen. Mir war es stellenweise sehr unangenehm, wie holperig meine Sätze aus meinem Mund kamen und wie gering mein Wortschatz ist. 

Im Urlaub merkte ich, wie zufrieden ich mit meinem Leben bin und spürte eine tiefe Dankbarkeit. Nicht bei jedem Arbeitgeber lässt sich das Familien-/Privatleben so gut vereinbaren mit der beruflichen Tätigkeit und auch nicht überall ist man so offen für sämtliche Weiterbildungsvorschläge. Schon nach einer Woche wurde mir klar, dass ich gar nicht so weit von zu Hause hätte wegfahren müssen. Das Schöne findet sich auch direkt vor unserer Haustür. Aus diesem Grund möchte ich L ab sofort etwas mehr von Deutschland zeigen.

Ich bin emotional und geistig noch absolut nicht bereit für den Start des neuen Schuljahres. L kommt nun in die dritte Klasse, dabei war vorgestern doch erst ihre Einschulung. Es ist erschreckend, wie schnell die ersten beiden Schuljahre verstrichen sind.
Ich möchte ein paar Dinge im neuen Schuljahr ändern. Zu allererst meine Einstellung. Nicht ich besuche die Grundschule, sondern L. Ich werde ihr weiterhin helfen wo ich kann, für Tests und Klassenarbeiten mit ihr üben, privat die Thematik rund um die Lese-Rechtschreibschwäche fördern und sie zum Lesen ermutigen. Hier kommt aber ein großer neuer Punkt hinzu: Ich mische mich mit wenigen Ausnahmen nur in Ls Schulalltag ein, wenn sie mich explizit darum bittet. Ich möchte, dass L versteht, dass sie sich anstrengen und immer ihr Bestes geben soll, dass Schule allerdings „nur“ EIN Teil ihres Lebens ist und nicht der einzige Lebensinhalt. 
Und sind wir mal ehrlich? Was soll denn schlimmes passieren? Notfalls wiederholt sie eben das Schuljahr, wenn ihr der Unterrichtsstoff um die Ohren fliegt. Davon geht die Welt nicht unter.

Seit ein paar Tagen äußert L vermehrt den Wunsch, in ihrem eigenen Bett zu schlafen. Was für andere Kinder von acht Jahren längst eine Selbstverständlichkeit ist, ist bei uns schon lange ein sehr großes Thema. Vor vielen Jahren schlief L in ihrem eigenen Bett, damals mit einer Einschlafbegleitung. Nun ist ihr Leben allerdings ein wenig anders verlaufen als das der meisten Kinder. Ihr emotionales Alter liegt derzeit bei etwa vier Jahren. Ihr Urvertrauen, welches mehrfach erschüttert wurde, muss sich erst wieder aufbauen. Ich unterstütze sie dabei, wo ich nur kann.
Nach einigen gescheiterten Versuchen klappte es nun gestern mithilfe ihrer Schulfreundin CE. Die beiden Mädchen schafften es, gemeinsam in Ls Bett einzuschlafen. CE hat schon öfter bei Freundinnen übernachtet. Für L war das ein wichtiger Schritt. Ich bin sicher, dass sie sehr stolz auf sich ist, es nach all der Zeit wieder geschafft zu haben. Ich bin schon auf die nächsten Abende gespannt. 

Aufgrund von zahlreichen Hasskommentaren und einer toxischen Stimmung zwinge ich mich seit einigen Tagen wieder zu einer kompletten Facebook-Abstinenz. Ich merkte in den vergangenen Wochen, wie mich die angezeigten Artikel und dazugehörigen Kommentare in meiner Denkweise beeinflusst und verändert haben. Ich sah die Welt plötzlich nahezu durchgängig als einen bösen und sehr schlechten Ort an. So möchte ich allerdings nicht leben. Es gibt sehr viele positive Dinge. Ich muss nur genauer hinsehen und mich von anderen Menschen, die nicht so denken und ihren Mitmenschen rein gar nichts gönnen, fernhalten.

Deine Katja

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