Himmelspost an M

Dies & Das, Persönliches

Mein lieber M,

im letzten Monat hatte ich meine Verwunderung hinsichtlich der Unlust heutiger Schüler*innen auf den Unterrichtsstoff geäußert und mich gefragt, weshalb den wenigsten das Bearbeiten der Aufgaben in den Schulheften Freude bereitet oder zumindest ansatzweise Spaß macht.
Dieses Thema besprach ich kürzlich während einer Autofahrt mit meinem Kollegen A, der dazu einen interessanten Punkt beleuchtete: Heutzutage wachsen die Kinder mit zahlreichen, permanent auf verschiedenen Plattformen zu erhaltenen Dopaminkicks auf. Diese waren in meiner Kindheit nicht so leicht und natürlich auch nur durch ganz andere Dinge erreichbar. Nun ist es keine große Überraschung, dass die Schulhefte der Kinder nicht so aufgebaut sind, dass regelmäßig Dopaminkicks erzielt werden können. Ich bin überzeugt, dass deshalb ein Großteil unserer heutigen Schüler*innen die Inhalte in den Heften und dadurch auch den zu vermittelten Unterrichtsstoff stinklangweilig finden. Die Aufbereitung ist nicht mehr zeitgemäß und holt die Kinder nicht mehr ab.

Für unsere liebe L liegt nun das Ergebnis nach dem umfangreichen LRS-Feststellungsverfahren vor: Ihr wurde eine mittelschwere Lese-Rechtschreibschwäche bescheinigt. Ein Wechsel in eine (nur in Sachsen eingerichtete) LRS-Klasse wird empfohlen, aber nicht dringend empfohlen. (Freie Plätze gibt es ohnehin nur für Kinder mit einer schweren LRS, der Rest fällt im Schulsystem hinten herunter. Deshalb werde ich auch keinen Antrag auf eine Weiterbeschulung an einer LRS-Schule stellen.) 
Ls Klassenlehrerin wird nun ein Förderplan ausgehändigt, den ich mir in Kopie zeitnah von ihr geben lasse. Die beiden im Auswertungsgespräch anwesenden Lehrerinnen meinten, sie würden es nicht so wie jetzt weiterlaufen lassen. Ich rechne nicht damit, dass L eine Förderung im normalen Unterrichtsverlauf ermöglicht werden kann, sodass ich auf dem privaten Weg schaue, sie zu unterstützen. 
L liest sehr schnell und gut, aber leider zu ungenau und fehlerhaft. (Das kann ich bestätigen.) Ihre Bild-zu-Wort-Schreibübungen waren im oberen Mittelbereich. Die Rechtschreibregeln hat sie derzeit noch nicht gut verstanden. Das sei aber generell erst in Klasse drei Thema des Unterrichts. Viele Wörter hat sie dennoch korrekt und unter Anwendung der richtigen Regeln aufgeschrieben. (Da L in den letzten drei Monaten unter meinen Fittichen bereits unfassbar viel hinzugelernt und Fortschritte erzielt hat, bleibe ich weiterhin entspannt und schaue, dass sie die nötige Förderung erhält. Das wird schon.)
Nach Ostern kommt das Ergebnis in schriftlicher Form vom Landesamt für Schule. Bis dahin muss ich nichts weiter entscheiden oder veranlassen.
Obwohl ich vom Charakter her so ticke, die Schuld immer bei mir zu suchen, spiele ich den Ball in diesem Fall in Richtung Schule. Ich gebe der Schule einen Großteil der Schuld an der Situation. Wie soll ein Kind etwas lernen, wenn die Schulhefte nahezu komplett leer sind?! Hätte ich mich in Klasse eins nicht darauf verlassen, dass alles wie im Schulkonzept angepriesen gut läuft, und schon eher einen Blick in (die in der Schule befindlichen) Arbeitshefte geworfen, wäre uns viel Leid erspart geblieben. Nun ist es aber wie es ist und alles Hätte, Wäre und Wenn bringt uns nicht weiter. An erster Stelle steht nun Ls Wohlergehen. Sie muss gefördert werden, ohne dabei überfordert zu werden. Dafür setze ich mich nun ein.

Gefühlt würde ich die letzten Grundschuljahre gern einfach nur hinter uns bringen. Mir gefällt aber die Wortwahl „hinter uns bringen“ überhaupt nicht. Schließlich rede ich hier von Ls und meiner Lebenszeit. Ich möchte nun versuchen, der kommenden Zeit, wie schwer und anstrengend sie auch sein mag, bestmöglich entgegenzusehen und uns schöne Erlebnisse zu bescheren.  

Deine Katja

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